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Strahlentherapie und Krebsrisiko
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16.01.25 17:41
Carls 
16.01.25 17:41
Carls 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Hallo,
seit mehr als 15 Jahren habe ich schon hunderte Patienten in Stadium N/1 zur antiproliferativen Radiotherapie mit einem Linearbeschleuniger geschickt.
Bislang keine malignen Veränderungen der Haut oder der darunter liegenden Gewebe.
Was als Nebenwirkung praktisch immer auftritt, ist eine trockene Haut im Bestrahlungsgebiet, die entsprechend gepflegt werden muss.
Und natürlich müssen Strahlentherapeuten IMMER auf schlimmere Neben-/Nachwirkungen aufklären. Sie sind auch angehalten strahlentherapeutische Nachschauen durchzuführen.
In der MHH gibt es - denke ich - ideologische Gründe zur Ablehnung. Die Handchirurgie unter aktueller Leitung ist der Meinung, dass vorbestrahlte Hände im Falle einer doch notwendigen OP (wenn dummerweise in einem Stadium > N/1 bestrahlt wurde), die Wundheilung schlechter sei. Diese Erfahrung kann ich nicht teilen, ich operiere trotzdem. Schlimmer für die Heilung sind definitiv Rauchen, Diabetes, ungesunde Ernährung.
Nach der Bestrahlung sehe ich in der Regel glückliche Patienten, deren Knoten weicher geworden sind. Gerade heute habe ich eine Patientin gesehen, bei der seit 10 Jahren es keinen Progress im Stadium N/1 gab.
Ich würde mich bestrahlen lassen! Das ist meine persönliche Meinung. Und zwar mit Elektronen.
Viele Grüße!

16.01.25 17:46
wach 

Administrator

16.01.25 17:46
wach 

Administrator

Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Hallo sanny,

leider kann ich auf beide Fragen nur "vieleicht, vielleicht auch nicht" antworten:

F: Kann es sein, dass jemand, der ML oder MD von einem Elternteil vererbt bekommen hat einen aggressiveren Verlauf hat als jemand, der die Erkrankung vom Free Climbing bzw. Marathon Laufen bekommen hat?
A: Meiner Meinung nach gibt es eine (vererbete) Veranlagung zu der noch ein Auslöser kommen muss, damit die Krankheit ausbricht. Das kann eine Schädigung durchs Klettern sein, ein Unfall, eine ständige Belastung, durch Rauchen, oder eine altersbedingte Schädigung. Was letztlich der Auslöser ist, ist vermutlich egal. Es gibt - aus welchen Gründen auch immer - anscheinend zwei Formen von Dupuytren: die eine. milde Form schreitet langsam fort und muss oft nie behandelt werden (ca. 80% der Menschen mit Dupuytren werden nie behandelt). Und es gibt eine aggressive Form, die u.U, rasch zu einer Kontraktur oder zu Schmerzen führt. Interessanterweise können möglicherweise beide Formen beim gleichen Patienten auftreten (hat mal ein Handchirurg auf einer Tagung berichtet), der Unterschied ist vielleicht nicht genetisch bedingt.

F: Bei ML können die Knoten auch schrumpfen bzw. in seltenen Fällen (z.B. durch tägliche Massage über längere Zeit) ganz verschwinden. Lässt sich in so einem Fall auf eine mildere Form schließen und auf ein geringeres Krebsrisiko?
A: na ja, schrumpfen ist normal, sozusagen ein Entwicklungsstadium des Dupuytren oder der Ledderhose. Wenn die Knoten sich wegmassieren lassen und nicht mehr wachsen ist das sicher eine mildere Form und laut Gudmunssen wurde im Stadium 1 ohnehin kein erhöhtes Krebsrisiko gefunden.

Noch ein Nachtrag: bei mir wurde der erste Knoten vor ca. 40 Jahren bestrahlt und ist heute immer noch winzig und stört nicht.

Zuletzt bearbeitet am 16.01.25 18:41

16.01.25 17:55
Sanny 
16.01.25 17:55
Sanny 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Vielen Dank Carls und Wolfgang für die ausführlichen Antworten!
Sanny

18.01.25 10:16
Frankerze 
18.01.25 10:16
Frankerze 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Hallo,
ich wollte mich auch nochmal bedanken für den interessanten wertvollen Austausch.
Vielen Dank
Frank

18.01.25 12:23
Frankerze 
18.01.25 12:23
Frankerze 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

@Sanny: Du kannst Deine individuelle Lebenserwartung natürlich selber deutlichst um Jahre erhöhen, indem du dich regelmäßig sportlich betätigst (Ausdauer und Kraftsport), auf Rauchen und Alkohol verzichtest, dich gesund ernährst (kein rotes Fleisch, insgesamt Fleisch aber auch reduzieren), viel Gemüse, zb Brokkoli, Nüsse und Obst (Antioxidantien) zu Dir nimmst, Kaffee nur bis 12.00 Uhr trinkst, auch grünen Tee trinkst, auf Süßigkeiten verzichtest, falls Zucker, dann nur komplexe Kohlenhydrate, Vollkorn, keine Süßstoffe, ausreichend schläfst und Stress vermeidest (den wir natürlich aufgrund des Dupuytren jetzt leider vermehrt haben), soziale Kontakte pflegst, auf industriell hergestelltes und hochverarbeitetes Essen verzichtest.
Das ist in vielen Studien untersucht worden. Auf Netflix gibt es eine schöne Dokumentation über die "Blue Zones", Zonen in denen es Menschen gibt, die überproportional sehr alt werden. Kann ich Dir empfehlen.
Lifestylemodifikation ist wichtiger einzuschätzen als das gering erhöhte Krebsrisiko durch Dupuytren
Kleine kostenlose Ernährungsberatung von mir, wahrscheinlich weißt du das eh schon alles ;-)
Gruss

Zuletzt bearbeitet am 18.01.25 12:34

18.01.25 15:47
Sanny 
18.01.25 15:47
Sanny 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Ich weiß das tatsächlich schon alles...Das mit den Süßigkeiten haut noch nicht so ganz hin:-) Trotzdem Danke, Frank.
Sanny

28.01.25 21:44
Frankerze 
28.01.25 21:44
Frankerze 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Hier die Beurteilung vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Stand: 15.5.2023: zur Anwendung von Strahlen bei gutartigen Fibromatosen:

Zur Schlussfolgerung des HTA-Berichts und der S2e-Leitlinie der DEGRO mit einer Empfehlung Grad B zur Strahlentherapie bei M. Dupuytren im Stadium N bzw. N/I positionieren sich die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie und die Deutsche Gesellschaft für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie klar auf der Seite des HTA-Berichts, dass mit den vorliegenden Daten, den zu erwartenden Rezidivraten sowie dem nicht vernachlässigbaren Risiko der malignen Entartung eine Strahlentherapie nicht prinzipiell empfohlen werden kann. Es handelt sich, solange keine wie von uns vorgeschlagenen prospektiv randomisierten Studien vorliegen, um eine Einzelfallentscheidung, die kritisch abgewogen werden muss.

Kurzgesagt: Die vorliegenden Daten reichen nicht aus, da es keine prospektiven randomisierten Studien gibt, deswegen auch keine generelle Empfehlung.

Bezgl der Aussage "es wurde noch nie ein Krebsfall entdeckt" muss man natürlich auch sagen, dass die meisten Patienten ja in gar keinen Studien abgebildet sind. Von vielen Patienten, die vielleicht Krebs bekommen haben werden wir nie erfahren.

Ein Handchirurg hat mir von einem Zahnarzt erzählt, der seine Hand immer im Strahlengang hatte als er Bilder von den Zähnen seiner Patienten gemacht hat, dieser hatte ein Plattenepithelkarzinom an der besagten Hand, dass der Chirurg rausgeschnitten hat.

Daher sollte man mit der Strahlentherapie schon sehr respektvoll umgehen und sie nicht verharmlosen. Ich habe habe selber viel mit Strahlen beruflich zu tun und weiss wovon ich rede, es handelt sich hier um keine Stosswelle oder Ultraschall oder vergleichbares, es handelt sich hier um eine Therapie, die prinzipiell eine lebensbedrohliche Folgeerkrankung haben kann und dementsprechend sollte man sich das gut Überlegen ob man sich im Frühstadium bei Auftreten von ein paar Knoten mit 30 Gy bestrahlen lassen möchte, insbesondere dann, wenn es noch nicht mal überzeugende randomisierte Studien gibt.
Anders sieht das aus meiner Sicht aus, wenn man einen sehr aggressiven destruirenden Verlauf hat mit schneller Ausbreitung, hier scheint mir eine Risiko/Nutzenabwägung zu Gunsten der Strahlentherapie im Sinne einer Einzelfallentscheidung durchaus diskutierbar zu sein, um den Progress und damit Funktionseinschränkungen der Hand und Invalidität zu verhindern.
Lange Rede, kurzer Sinn, am Ende muss es jeder selbst entscheiden und hinterher ist man immer schlauer, allerdings auch nicht mehr umkehrbar ;-)

https://www.iqwig.de/download/ht21-01_st...ericht_v1-0.pdf

Zuletzt bearbeitet am 29.01.25 06:58

29.01.25 18:10
Carls 
29.01.25 18:10
Carls 
Re: Strahlentherapie und Krebsrisiko

Frankerze:

Ein Handchirurg hat mir von einem Zahnarzt erzählt, der seine Hand immer im Strahlengang hatte als er Bilder von den Zähnen seiner Patienten gemacht hat, dieser hatte ein Plattenepithelkarzinom an der besagten Hand, dass der Chirurg rausgeschnitten hat.


Hallo,
Plattenepithelkarzinome der Haut entwickeln sich in erster Linie auf dem Boden schwer lichtgeschädigter Haut bei bereits vorhandenen aktinischen Keratosen. Gibt es in dieser Geschichte wirklich eine Kausalität?
Die Strahlendosis bei Zahnaufnahmen beträgt im Schnitt 5 My Sievert hier gleichzusetzen mit 5 My Grey. Bei 20 Aufnahmen pro Tag und 5 Arbeitstagen pro Woche, 46 Arbeitswochen pro Jahr und 40 Arbeitsjahren käme der Zahnarzt kumulativ auf 0,92 Gy! Bei der Aufnahme hält er den Finger natürlich hinter dem Filmhalter. Bei guter Einblendung wird die Hand dann höchstens von Streustrahlung getroffen.
Zum Vergleich: Bei der "Röntgenreizbestrahlung" bei Arthrosen wird Patienten 3 Gy verabreicht!
Nun kann jeder über eine mögliche Kausalität nachdenken. Beachtenswert ist jedoch, dass es keine strenge Linearität zwischen Strahlenbelastung und Wirkung auf den Körper gibt. Es gibt einen stochastischen Zusammenhang. Stochastische Strahlenschäden treten dagegen aufgrund von Zellveränderungen auf. Die WAHRSCHEINLICHKEIT steigt proportional zur Dosis, daher ist die Strahlenexpositionen so niedrig wie vernünftigerweise möglich zu halten.
Zusammengefasst, ist es nicht so einfach über Strahlenschäden zu diskutieren.

Viele Grüße

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